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Experten- und Wissensaustausch für die Gründung

Aktualisiert: 12. Okt. 2022

Wie bereits erwähnt, sind wir im Gemüse- und Obstbau Quereinsteigende. Wir konnten in den vergangenen Jahren viele Erfahrungen in der Selbstversorgung sammeln. Der Erwerbsanbau stellt uns jedoch vor ganz eigene Herausforderungen. Es gibt viel Fach- und Praxiswissen zu erlernen, um unsere eigene Gemüsebau Kompetenz zu entwickeln. Hierfür suchen wir immer wieder den Austausch und holen uns Feedback von außen ein, was uns ermöglicht, informierte Entscheidungen zu treffen.


Beratung durch Gerrit Jansen - Netzwerk Solidarische Landwirtschaft


Nur wenige Tage nach dem Regionaltreffen des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft in Nordhessen (siehe Beitrag vom 6.September) haben wir uns mit Gerrit Jansen (Berater vom Netzwerk SoLaWi) getroffen. Gerrit Jansen berät seit vielen Jahren SoLaWis in der Wetterau rund um die Themen Anbau- und Flächenplanung und unterstützt gemeinschaftliche Prozesse (Community Building und Design) innerhalb von SoLaWis.


Gerrit hat uns für einen Vormittag besucht und nach einer kurzen Vorstellung des Projektvorhabens sind wir direkt auf die Ackerfläche gegangen, damit er sich vor Ort ein Bild machen konnte. Das Fazit der Begehung war, dass die Lage gut sei, der sandige Lehmboden jedoch einiges an Investitionsaufwand für den zukünftigen Gemüseanbau benötigen würde. Gerrit riet uns zunächst, den Feldgemüseanbau in den Fokus zu nehmen und mit dem Anbau von Feingemüse zu einem späteren Zeitpunkt zu beginnen.

In den Gesprächen wurde klar, dass die Wasserversorgung derzeit unsere größte Herausforderung ist. Was uns bereits besorgte, hat sich nun noch einmal bestätigt. Die Fläche hat aktuell keine eigene Wasserversorgung. Das bedeutet, dass Wasser auf die Fläche transportiert werden müsste. Eine grobe Kalkulation ergab einen Wasserbedarf von rund 100 m³ pro Fläche und Jahr. Besonders in heißen und trockenen Sommern steigt der Bedarf, was einen Mehraufwand bedeutet. In der ersten Anbausaison 2023 ist es denkbar, den Wasserbedarf mit IBC Containern und Wasserwagen abzudecken, die regelmäßig befüllt und auf die Fläche transportiert werden müssen.


Glücklicherweise hat sich in der Zwischenzeit ergeben, dass von Seiten unserer Verpächter nichts dagegen spricht, einen Brunnen bohren zu lassen. Flo recherchiert gerade zur Thematik und macht sich mit der Regulatorik vertraut.


Wenn ihr rund um das Thema Bewässerung und Brunnenbohrung Ideen und Anregungen habt, schreibt uns gerne eine E-Mail. Wir freuen uns über euer Feedback.

Ein weiteres wichtiges Thema der Beratung drehte sich um die Vorbereitung der Ackerfläche für die erste Anbausaison. Nach ersten fachlichen Auseinandersetzungen und Erfahrungsaustausch, erschien uns das Vorgehen, die Fläche mit einer Kompostauflage und Mulchfolie zu bedecken, als machbar. Bei diesem Vorgehen wird u.a. das Aufkeimen des Beikrauts unterdrückt. Da der Boden bedeckt ist und die Mulchfolie das Eindringen von Wasser und Luftzirkulation erlaubt, wird ein erster Humusaufbau ermöglicht und eine Auswaschung der Nährstoffe eingedämmt. Das Vorgehen deckte sich mit den Empfehlungen von Gerrit. Letztendlich hat sich herausgestellt, dass wir die Fläche so nicht vorbereiten konnten. Unsere Verpächter haben die Auflage, im Zusammenhang mit der EU-Subvention auf der Ackerfläche eine Winterzwischenfrucht anzubauen. Auch bei diesem Vorgehen ist der Boden über den Winter bedeckt und wird zusätzlich durchwurzelt, was die Bodengesundheit und den Bodenaufbau im Sinne der regenerativen Landwirtschaft fördert.


Abschließend gab uns Gerrit den Hinweis, eine mögliche Erweiterung der Fläche mit den Verpächtern abzusprechen, um ein organisches Wachstum des Projektes zu ermöglichen. Aus seiner Perspektive erscheint der Sichtkontakt zwischen Ackerfläche und Streuobstwiese als gute Ausgangsbasis für die Bewirtschaftung und für Community Events.


Gespräch mit Matthias Peter - Schnittstelle Boden Ober-Mörlen


In der gleichen Woche hatten wir eine Verabredung mit Matthias Peter. An einem Abend, an dem der lang ersehnte Sommerregen endlich kam, saßen wir gemeinsam bei einem Feierabendbier auf der Terrasse des Ingenieurbüros. Matthias Peter leitet das Ingenieurbüro Schnittstelle Boden und ist Experte u.a. für Bodenkunde und Grundwasser. Wir bekamen einen kurzen Einblick in die Historie der Ober-Mörler Landwirtschaft und in die geologischen Besonderheiten der Gemarkung. Unsere gepachtete Ackerfläche liegt im Usabecken und somit im Auenbereich. Das bedeutet, dass in den tieferen Bodenschichten die Wahrscheinlichkeit steigt, auf größere Steine und Verdichtungen zu treffen. Das wiederum sollte bei der Brunnenbohrung dringend beachtet werden. Die Ausgangsbedingungen für den Gemüseanbau auf der Ackerfläche sind insgesamt gut. Die Qualität des Bodens ist durch den Wetterauer Löss (PDF Link) geprägt. Matthias Peter hat uns außerdem empfohlen, in den ersten Jahren regelmäßige Bodenproben zu entnehmen und professionell analysieren zu lassen. Dadurch kann die Ausgangsbasis und Veränderungen durch den Anbau beobachtet und beurteilt werden. Das wird für uns als Quereinsteigende eine weitere Herausforderung sein, der wir aber positiv entgegen blicken, da wir so unseren Boden besser kennen und verstehen lernen.


Wir danken Matthias Peter sehr für den Austausch und die Anregungen. Wir konnten unser bisher erworbenes Wissen zu den Themen Bodenbearbeitung, -pflege und -aufbau, den Einsatz von Kompost und Gründüngung sowie zu anderen regenerativen Verfahren reflektieren und erweitern.


Besuch bei zwei Market Garden Betrieben - KraftFeld Gartengemüse und Weiherhöfers Gartengemüse


Da der Gemüseanbau ohne die derzeit vorhandene Infrastruktur für Strom und Wasser auf der Ackerfläche eine Problemstellung der besonderen Art ist, haben wir den Erfahrungsaustausch mit zwei Market Garden Betrieben gesucht.


Flo war bei Anja Kirchner, die er noch aus seiner Jugendzeit in Ober-Mörlen kennt, und ihrem Partner Daniel Czempin zu Besuch. Die beiden bauen auf 300 m² Beetfläche Gemüse für wöchentliche Abokisten an. Mit ihrem Market Garden KraftFeld Gartengemüse an der Görbelheimer Mühle in Friedberg sind die beiden den Schritt von der Selbstversorgung in den Erwerbsanbau gegangen. Während des Besuchs standen Themen wie die Vereinbarkeit von Betriebsgründung und hauptberuflicher Tätigkeit, die Lagerung und Kommissionierung des Gemüses sowie die Verwaltung von Kundenkontakten und Marketingfragen im Fokus.


Die Empfehlung von Anja und Daniel war, sich unbedingt den Market Garden Weierhöfers Gartengemüse, der von Orfeas Fischer und Sara Knapp betrieben wird, anzuschauen. Wir kennen den Betrieb bereits von Orfeas YouTube Kanal und verschiedenen Konferenzbeiträgen. Durch den Impuls der beiden und den Hinweis, dass sich der Betrieb autark versorgt, haben wir uns für eine Gartenführung angemeldet.


Am ersten Oktoberwochenende war es dann soweit und wir sind über Mainz in Richtung Kaiserslautern gefahren. Der Market Garden befindet sich in Weierhof, einem Ortsteil der Gemeinde Bolanden im Rheinland-Pfälzischen Donnersbergkreis. Gemeinsam mit 11 weiteren Interessierten sind wir von Sara und Orfeas herzlich begrüßt worden. Die für zwei Stunden geplante und tatsächlich drei Stunden dauernde Gartenführung hatte es inhaltlich in sich. Der Betrieb der beiden ist ein mustergültiges Beispiel für das Market Gardening Anbauverfahren. Unserem Eindruck nach sind die Prozesse von der Anbauplanung hin zum Anbau, über die Ernte bis zum Verkauf sehr fein und gut durchdacht aufeinander abgestimmt. Das hat vor allem Flo positiv überrascht und uns in der Wahl des Anbauverfahrens bestärkt.



Eine weitere Überraschung war, dass Orfeas und Sara Grünschnittkompost als 10-15 cm hohe Beetauflage verwenden, um auf dem sehr lehmigen Boden Feingemüse anbauen zu können. In diesem Zusammenhang haben wir nochmal wertvolle Tipps bekommen, was beim Zukauf von Kompost beachtet werden sollte. Weitere hilfreiche Impulse kamen zur Beikrautregulierung, der Ausstattung mit Arbeitsgeräten und Hilfsmitteln sowie zur Bewässerungstechnik.


Für Flo war es besonders faszinierend, die autarke Versorgung mit Strom über eine PV-Anlage und Wasser über einen Tiefbrunnen (60 m) zu sehen. Laut dem Bericht der beiden, konnten an den heißen Tagen bis zu 30 m³ Wasser für die Versorgung der Kulturen gefördert werden. Die Wasserpumpe, elektrische Geräte (Akku Geräte, Beleuchtung, etc.) und der Kühlraum (Temperatur von 10-12°C) werden über die PV-Anlage betrieben. Der überschüssig erzeugte Strom kann in einer 30 kWh Batterie (von einem Gabelstapler) zwischengespeichert werden.


Eine ähnliche Architektur für die unabhängige Versorgung mit Strom und Wasser wünschen wir uns perspektivisch auch für unser Projekt. Die Investitionskosten sind zunächst hoch, würden aber langfristig Abhängigkeiten reduzieren und vorhandene Ressourcen nutzbar machen.


Sara und Orfeas bauen ihr Gartengemüse auf einer Gesamtfläche von ca. 7.000 m² an. Eine Größe, die auch wir zukünftig anstreben.


Insgesamt war es sehr motivierend den Betrieb der beiden, als gelungenes und funktionierendes Beispiel zu sehen. Der Besuch hat sich für uns gelohnt.


Ausblick für das Jahresende


Anfang Dezember wird Caro nach Baden-Württemberg zur Gemeinschaft Schloss Tempelhof und den Zukunftsbauern fahren, um an einem mehrtägigen Planungskurs (unter anderem mit Urs Mauk vom YouTube Kanal ReLaVisio) zum Thema Market Garden teilzunehmen. In diesem Intensivkurs geht es vordergründig um die Flächen- und Anbauplanung von Betrieben in Gründung und Betrieben, die auf das Anbauverfahren umstellen wollen. Wir hoffen, viele Anregungen, praktische Hinweise und Rückmeldungen für die Planung der ersten Anbausaison zu bekommen.


Soweit erstmal zu Boden, Flächenplanung und Anbauverfahren. Letzten Freitag hatten wir einen kurzen Besuch von der Wirtschaftsförderung des Wetteraukreises und der Bürgermeisterin Frau Paulenz auf der Ackerfläche. Im Rahmen einer Ortsbegehung haben wir das Projekt Treibgut kurz vorgestellt. In den nächsten Wochen werden wir mit Unterstützung der LLH Beratung zur Betriebsgründung in Friedberg, unseren Businessplan erstellen. Wenn diese Schritte gegangen sind und wir den landwirtschaftlichen Betrieb angemeldet haben, können wir uns gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung auf die Suche nach passenden Förderprogrammen für das Projekt machen.


Unser Fazit: es gibt weiterhin viel zu tun und zu lernen - langweilig ist uns im Moment nicht ;-)

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